Freitag, 31. August 2012

Lädchenerlebnis

Ein Mann geht auf die Verkäuferin zu und rempelt mich dabei versehentlich an. „Entschuldigung?“ sagt er zu der Verkäuferin, dreht sich um und schaut mich an. „Entschuldigung!“ sagt er auch zu mir und ich nicke ihm lächelnd zu. „Ehm... ich wollte..äh.. .“ Jetzt habe ich ihn völlig aus dem Konzept gebracht. Es tut mir leid und ich blicke auf, um die beiden fragend zu beobachten. Vielleicht kann ich ja helfen?! „Ehm.. tut mir Leid, jetzt habe ich vergessen...ich wollte.. .“ Die Verkäuferin lächelnd ihn erwartungsvoll an. Ich bin mir nicht sicher, ob das Lächeln aufgesetzt ist, oder sie wirklich diese Engelsgeduld hat, die ihre Augen ausstrahlen. Der Mann fängt sich: „Ach ja, ehm, haben Sie.. hier diese.. haben Sie etwas mit ehm.. 'Gute Besserung'?“. Kurz bin ich verwirrt, was will er? Aber die blonde Verkäuferin nickt nur und führt ihn zielstrebig ein Regal weiter. Er bedankt sich mit einem entschuldigendem Lächeln. Ich stelle meinen Kalender zurück in das Regal vor mir und schiebe mich an der jungen Verkäuferin, die nun das Regal weiter bestückt, vorbei und suche die Regale nach etwas nützlichem ab. Plötzlich stehe ich wieder neben ihm. Dem Mann. Ich schaue ihn mir genauer an. Wirke ich aufdringlich? Nein, nein, er merkt es garnicht. So vertieft ist er in die Auswahl vor ihm, die er mit den Augen absucht. Seine Augen leuchten. Es ist nicht schwer zu beantworten WER hier krank zu sein scheint. Am liebsten möchte ich ihm grinsend ein Plüschherz in die Hand drücken. Natürlich sollte es nicht von mir für ihn sein sondern für seine...für seine was auch immer... . Aber es ist eh weit und breit keins zu entdecken. Kein roter Stoff, kein Plüschtier, wo sind kitschige Herzchen wenn man sie braucht? Langsam erinnere ich mich wieder warum ich eigentlich hier bin und wandere zum nächsten Regal. Ein paar Schritte weiter und nur kurze Zeit später, steht er wieder neben mir. Der Mann.
Wie bin ich denn schon wieder neben ihm gelandet?
Langsam kommt mir die Situation etwas skurril vor, bis mir auffällt, dass er mich nicht beobachtet, sondern eine Postkarte mit der Aufschrift „Gute Besserung“ aus dem Ständer nimmt.
Na dann „Gute Besserung meiner Beobachtungsgabe!“

Mittwoch, 1. August 2012

Befreiende Künstlerträume


Manchmal wünschte ich mein Zimmer bestünde nicht aus Möbeln, anderen Utensilien, Bildern und tausend Erinnerungen, sondern wäre ein leerer Spiegelsaal.
Ich könnte tanzen und mir selbst zusehen, wie ich mich verändere, entwickele, welche Haltung ich gerade annehme.
Ich könnte tanzen was mein Herz spürt und ausdrücken möchte, ohne, dass mich ein Möbelstück zu Fall bringt, endlose Drehungen machen, bis ich vor Schwindel auf den harten Boden sinken würde.
Ich könnte tanzen und niemand könnte mich unbemerkt beobachten. Spiegel sehen alles.
Menschen würden mich besuchen und wir könnten uns von allen Seiten betrachten. Könnten uns zusehen, wie unser Gegenüber sich verhält. Auch die Geste im Spiegel gegen über, die sonst hinterm Rücken blieb, sehen.
Wie ehrlich sind Spiegel eigentlich?
Ich würde Menschen zum Tanzen bringen, weil mein Zimmer sonst nichts bieten würde. Mit ihnen durch das Zimmer schweben; wir wären frei.

Manchmal wünschte ich, mein Zimmer hätte einen Holzfußboden, in allen Ecken stünden Boxen und an den Wänden Instrumente, ein großer Eichenschrank mit Notenbüchern neben der Tür.
Ich würde Tag und Nacht musizieren. Auf dem vom Schall geschaukelten Holzdielen einschlafen, um von fliegenden Noten zu träumen.
Tagsüber besuchten mich Freunde und wir musizierten miteinander.
Ich könnte immer, wann ich wollte, durch Musik ausdrücken, was ich fühle. Lieder dichten, singen von anderen Zeiten, anderen Welten und von Freiheit.
Ich könnte Menschen aus ihrem Alltag holen und ihnen ein Stück Freiheit, ein Stück „anders sein“, ein Stück „sich selbst“ schenken.
Wie viel Freiheit schenkt Musik wirklich, oder nimmt sie gefangen?

Manchmal wünschte ich mein Zimmer bestünde aus Meterlangen Papierbahnen. Mit oder ohne Linien. Ein Wandschrank, nie voll auszuschöpfen an Bildern und Ideengebern.
Ich könnte malen und schreiben so viel ich wollte. Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Menschen, die mir lange nicht mehr begegnet waren endlich in Ruhe zu Papier bringen. Bunte, kindliche Bilder von längst vergessenen Träumen neu malen.
Geliebten Menschen würde ich den Pinsel erneut in die Hand drücken.
Kinder kämen um ihre Hände und Füße zu verewigen. Illegale Sprayer dürften sich austoben, Kunststudenten fänden Ruhe.
Ich könnte stundenlang schreiben und keiner würde mich stören. Ich würde mir ein Bild aus dem Wandschrank ziehen und eine Geschichte dichten, wann immer mir nichts mehr einfiele. Kindern würde ich beim erzählen zuhören und ihre Geschichten in ein dickes, weißes Buch aufschreiben.
Sehr alte Frauen kämen, um ihre Lebensgeschichte ein letztes Mal weißen Wänden anzuvertrauen.

Tanz, Musik, Bilder und Texte. All dies lässt sich verbinden.
Ich könnte alles aufzeichnen, was mir in den Sinn käme, ohne die Angst es sei nicht gut genug.
Frei.

DU tanzt nicht gut genug? DEINE musikalischen Fähigkeiten reichen nicht aus? Zum Zeichnen fehlt DIR das Talent? Und schreiben? Ach nein, DU bist nicht kreativ genug?
Schenke dir diese Freiheit! Tu es.

Nora.
 
P.S: Wenn Musik dir hilft höre doch mal „Ludovico Einaudi“ und übe deine Kunst aus ohne dabei zu viel zu denken. ;)
P.P.S: Ich bin froh, dass mein Zimmer nicht so aussieht, oder all dies ein Stück weit verbindet. Erinnerungen sind ebenso kostbar und machen das Leben bunt.